Ein Lebenskünstler
Ein Künstlerleben
Cerhas Grundstück
Nichts ist für Cerhas Lebensweise typischer als die grüne Natur.
Er, der die Pflanzen liebt, ließ sich in den 1960er Jahren im kleinen Dorf Maria Langegg nieder, umgeben von einer sinnlichen Waldwelt.
Hier und dort hinterließ er Spuren – etwa selbst errichtete Monumente aus Stein.
Foto: Christoph Fuchs
Die Beziehung von Kunst und Leben wurde im 20. Jahrhundert grundlegend neu gedacht. Radikale Strömungen in den 1960er Jahren – darunter Fluxus oder Wiener Aktionismus – versuchten die Grenzen gar vollends zu verwischen. Friedrich Cerha erlebte sich selbst nie als Teil dieser (zum Teil auch ideologischen) Bestrebungen. Und doch wirken auch bei ihm äußeres und inneres Erleben auf besondere Weise aufeinander ein. Spiegel, eines seiner wichtigsten Werke, trägt bereits ein Credo im Namen: Die Welt und ihr empfundener Erlebnisgehalt wird an der Oberfläche des Kunstwerks reflektiert. Impulse (um den Titel eines anderen Werks aufzugreifen) nehmen Form an und stimulieren so wiederum Anderes. „Künstlern wird nachgesagt, sie seien Seismographen“, so Cerha, „sie spürten und ahnten, wo sie nicht wüssten, was die Welt, in der sie leben, im Innersten bewegt“ – und fügt hinzu, die meisten hätten in erster Linie begriffen, „wie gefährdet das ist, was sie ‚im Innersten zusammenhält‘“.Schriften: ein Netzwerk, Wien 2001, S. 159
Cerhas Welterleben ist von seiner Sichtweise als Gestaltender nicht zu trennen, verschmilzt vielfach mit ihr. Ergründbar sind jedoch die Kanäle, über die er verschiedene Eindrücke gewinnt. Die Menschen, denen er im Laufe seines langen Lebens begegnete, prägten seine Anschauung, von widerständigen Bezugspersonen seiner Kindheit über gleichgesinnte Kolleg:innen bis zu scharfen Kritiker:innen. Das am eigenen Leib erfahrene Spannungsverhältnis zur Gesellschaft ließ auch eine politische Gesinnung heranreifen, die das Individuum und seine Existenznöte in den Mittelpunkt stellte. Anregungen erhielt Cerha auch aus der Literatur. Im begeisterten Leser spiegelt sich ein Neugieriger, der sich nicht scheut, Phänomenen aller Art nachzuspüren. In den Bann zog ihn ebenso die ‚Dingwelt‘: Seine Sammlung an ‚Fundstücken‘, mögen es Pflanzen oder Alltagsgegenstände sein, ist ebenso umfangreich wie seine Bibliothek. Die einzelnen Stücke las er oft auf Reisen auf – dort eröffneten sich Kulturräume, die seine Sinne schärften und den Blick weiteten.