Das Innere des Außenseiters

„Du bist nichts, dein Volk ist alles“Heinrich Deist, „Politischer Rundbrief des Hofgeismarkreises“, 1924. Diesen Satz schrieb der Politiker Heinrich Deist bereits 1924 nieder. Er wurde wenig später zum Propagandamotto des Nationalsozialismus. Maßlose Unterordnung des Einzelnen, völlige Selbstaufgabe zu Gunsten von gemeinschaftlichen Interessen – diese Ideologien brachten den jungen Friedrich Cerha in den Zeiten ihrer Blüte „auf die Palme“Interview mit Martin Grubinger, KlickKlack (BR), 14.6.2012. Als bekennender Individualist war sein Lebensgefühl mit den Zwängen einer freiheitsberaubenden Gesellschaft nicht in Einklang zu bringen.
Das spannungsreiche Verhältnis zwischen eben dieser Gemeinschaft und dem ihr gegenüberstehenden Einzelnen beschäftigte Cerha sein ganzes Leben. Er selbst changierte kunstvoll zwischen der Anpassung an den Kulturbetrieb oder der Partizipation an künstlerischen Strömungen auf der einen Seite und widerständigen Haltungen sowie der Ablehnung, in Schubladen eingeordnet zu werden, auf der anderen.
Im Werk verläuft das Thema Individuum und Kollektiv oftmals auf existenziellen Bahnen. In der einen Ecke steht etwa die Vertonung eines Textes von Thomas Bernhard, der Anklage gegen den Staat erhebt (Requiem für Hollensteiner). Anderswo werden, etwa in den Opern, ausgestoßene Figuren in Gesellschaftskonflikte verwickelt. Baal ist die archaische Hauptfigur dieses Problemkreises in Cerhas Œuvre, er findet nie einen Platz in der Gemeinschaft. Gleiches gilt für den aus der konformen Masse herausragenden Riesen vom Steinfeld, dessen Schicksal ebenfalls ein tragisches ist.