Die Nähe der Ferne
Interkulturelles
Die Ferne der Nähe
Wienerisches, Heimatliches
Barocker Globus
Das Globenmuseum Wien beherbergt zahlreiche historische Weltkugeln, so wie die obige.
Mit den Augen eines Künstlers drehte auch Friedrich Cerha den Erdball imaginär und verweilte an einigen Stationen (etwa Zentralafrika) mit besonderem Interesse.
Bildquelle: Jorge Royan/Wikimedia
Friedrich Cerhas Reisepass, Vorderseite
Zugang
Nachdem ich in meiner Oper Baal eine Sprachwelt erreicht hatte, in der alle meine bisherigen Erfahrungen und Bestrebungen nahtlos zu einem vielfältigen musikalischen Organismus verschmolzen erscheinen, galt in der Folge ein für mich wesentliches Interesse einer weiteren Differenzierung meiner Vorstellungen auf rhythmisch-metrischem Gebiet. Eine etwa um 1980 ein setzende und sich zunehmend intensivierende Beschäftigung mit außereuropäischer Musik – zunächst mit der afrikanischer Völker südlich der Sahara – hat diese Interessen entscheidend gefördert.
Friedrich Cerha
Schriften: ein Netzwerk, Wien 2001, S. 258 f.
Das Interesse an anderen Kulturen lässt sich in der europäischen Kunstmusik weit zurückverfolgen. In der Renaissance erfreuten sich Moriskentänze (maurische Tänze) großer Beliebtheit. Wenig später bot die Oper ‚exotische‘ Schauplätze: Jean-Philippe Rameaus Opéra-Ballet Les Indes galantes, die auf verschiedenen Kontinenten spielt, in Persien etwa oder Peru, und Wolfgang Amadeus Mozarts ‚Türkenoper‘ Die Entführung aus dem Serail sind beredte Beispiele. Das 19. Jahrhundert erweiterte die Grenzen noch einmal erheblich. Claude Debussy nahm Anregungen javanesischer Gamelanmusik auf, während Gustav Mahler sich während der Arbeit an seinem Lied von der Erde von Tonaufnahmen aus China inspirieren ließ.
Die europäischen Komponist:innen des späteren 20. Jahrhunderts interessieren sich vor allem für die strukturellen Phänomene außereuropäischer Musik, so auch Cerha. Vom bloßen „exotischen Klangreiz“ Schriften: ein Netzwerk, Wien 2001, S. 259 distanziert er sich demnach. Impulse ferner Kulturen durchwirken seine Musik schon in den 1950er Jahren. So liegen seinen Rubaijat Dichtungen des persischen Universalgelehrten Omar Chaijam zugrunde. Ende der 1980er Jahre beschäftigt sich Cerha in besonders vielfältiger Weise mit der Musik der Welt, gleich ob sie aus Arabien, Afrika oder Papua-Neuguinea stammt. Das zweite Streichquartett widmet sich etwa der Klangkunst indigener Kulturen, während das Phantasiestück in C.‘s Manier auf vielschichtige Weise die unterschiedlichsten Musikkulturen verbindet.
Werke zum Themenfeld
Am Fluss des Krokodils
Zweites Streichquartett
Schmelztiegel
Phantasiestück in C.’s Manier, 1989
Von Wein und Honig
Zehn Rubaijat des Omar Chajjam, 1949—55